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Der Prozess 2.0

Ein Schuldlabyrinth nach Kafka


„Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Ähnlich wie dem Protagonisten in Kafkas Roman „Der Prozess“ kann es einem in der Leistungs- und Kontrollgesellschaft des 21. Jahrhundert ergehen, in der Menschen zu unerbittlichen Richtern ihrer selbst werden: Bin ich erfolgreich genug? Hätte ich mein bisheriges Leben auch sinnvoller nutzen können? Mache ich das Beste aus meinen Fähigkeiten und Begabungen? Stimmt meine Work-Life-Balance? Bin ich mit meinem Leben zufrieden und falls nein, bin ich dann nicht letztlich selber schuld? Die Kontrolle, die in Kafkas Roman noch von außen kam, wird heute nach innen verlagert: Man verleumdet, beschuldigt und verurteilt sich selbst, ohne etwas im rechtstaatlichen Sinne „Böses“ getan zu haben. Anstatt die Gesellschaft zu kritisieren, problematisiert man sich selbst, anstatt zur Gewerkschaft zu gehen, geht man zum Therapeuten.

Im Rückblick auf verblüffend gegenwartsrelevante Motive in Kafkas Klassiker kehren Interrobang in Der Prozess 2.0 das innere Gericht des selbstverantwortlichen Menschen nach außen und unterziehen es einem öffentlichen Prozess. Dafür errichten Interrobang ein undurchschaubares Labyrinth aus Verdächtigungen, geheimen Aufträgen, obskuren Verfahrensweisen und neuartigen Delikten: ein installatives Theaterlabyrinth, durch das sich die ZuschauerInnen — jede/r in der „Rolle“ des Josef K.  — hindurchnavigieren.


Galerie



Video



Presse


„Beim Prozess 2.0 wird die Partizipation noch auf die Spitze getrieben. Denn wer sich beteiligt, beteiligt sich letztlich an der eigenen Verurteilung. Das wäre dann Partizipation 3.0 im digitalen Selbstkontrollstaat.“
(Tom Mustroph, Tip Berlin, 26.01.2017)

„Man werde, so die Abschiedsworte, nach diesem Abend nicht mehr aufhören, Beweise gegen sich selbst zu sammeln und das Innere Gericht mit sich herumtragen, ihm unterworfen sein – so wie es K. in Kafkas “Prozess” geschah, der Interobang zu diesem “Schuldlabyrinth” inspiriert hat….Ein Besuch lohnt sich.“
(Ulrich Seidler, Berliner Zeitung, 28.01.17)

„…die Gruppe, die in verschiedenen Konstellationen arbeitet, ist spezialisiert auf Konflikte. Das ist für den Zuschauer zum einen unbequem, zum anderen kann es auf Trab wie zum Innehalten bringen oder zum Lachen über sich selbst. Interessant wird es immer. Die Produktion „Der Prozess 2.0“ … macht all das möglich.Der Mensch in der Leistungs- und Kontrollgesellschaft des 21. Jahrhunderts mutiert zum unerbittlichen Richter seiner selbst. Mit zunehmendem Druck und wachsender Kontrolle von außen wird das innere Urteil härter. Genügt man den Erwartungen? …Nach der Pause kann man sich endlich ruhig niederlassen. Doch wie trügerisch. Der sich öffnende Vorhang gibt den Blick frei auf das „Innere Gericht“, in dem die Bürokraten nun als Ankläger, Richter, Verteidiger tätig sind. Das Publikum muss in der Rolle von Geschworenen mitspielen. Es entscheidet, was zur Anklage kommt. Da lässt sich gut die Hand heben. Man werfe seinen Stein. Und vorsichtig linst man, ob die eigene Akte wartend für die Anklage aufgereiht ist. Oh ja, alles da. Schicksal, ick erwarte dir… Gut ist das gemacht.“
(Lucia Tirado, Neues Deutschland, 31.01.17)

„Wer sich einlässt auf das Experiment, hinterfragt sich selbst, verstrickt sich in unerwartet Debatten – und füttert seine Akte. Und das hat Konsequenzen. Der Spaziergang führt geradewegs in den Gerichtssaal. Die Performer Till Mülller-Klug, Lajos Talamonti und Elisabeth Lindig verkörpern das innere Gericht. Anklage droht wegen „unterlassener Selbstverwirklichung“, „fahrlässigem Workaholismus“ oder ähnlichen Verbrechen, die man als Zeitgeist-Analyse verstehen darf. Welches Urteil man für sich akzeptieren will, darf am Ende des gewitzten und clever konstruierten Performance-Abends jeder selbst entscheiden.“
(Dimo Riess, Leipziger Volkszeitung, 19.09.16)

„Sehr geschickt führt mich die Installation, bindet die Motive des Romans ein und beweist ihre heutige Relevanz. Ein anregender Abend, äußerst geschickt gebaut.“
(schräglesen.de)



Credits


Von und mit: Till Müller-Klug, Nina Tecklenburg, Lajos Talamonti, Elisabeth Lindig Dramaturgie: Kaja Jakstat Bühne und Kostüm: Sandra Fox Musik: Friedrich Greiling Licht / Technische Leitung (Berlin): Dirk Lutz Produktion: Ehrliche Arbeit – Freies Kulturbüro Hospitanz: Katharina Öttl, Daniela Schroll.

Produktion: Interrobang. Koproduktion: Sophiensaelen Berlin und Schauspiel Leipzig. Kooperation: Schwankhalle Bremen. Gefördert durch: den Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten, den Fonds Darstellende Künste e.V. und Rudolf Augstein Stiftung.


Termine


Sophiensaele Berlin
26., 27., 28., 31. Januar 2017
1., 2., Februar 2017

Schauspiel Leipzig, Residenz
17., 20., 21., 25., 26., 28., 29., 30. September 2016
01. Oktober 2016

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